Bürgerpark Dußlingen - Gestaltung der Tunneloberfläche nach Ausbau der B27
Blumenstraße / Wilhelm-Herter-Straße
72144 Dußlingen
Wölffing-Seelig, Landschaftsarchitekten/Ingenieure, Ralph Wölffing-Seelig, Stuttgart
Gemeinde Dußlingen, vertreten durch Bürgermeister Thomas Hölsch
2015
Wettbewerb 2013
Tragwerksplaner: Gauger + Partner, Beratende Ingenieure PartG mbB, Filderstadt
Beratung Verkehrsplanung: KARAJAN Ingenieure GmbH, Stuttgart
Beratung Architektur: Esslinger-Deitermann, Stuttgart
Ein Streifzug Richtung Alb
Die Gemeinde Dußlingen hat mit einer neuen Freifläche die jahrzehntelange Trennung des Ortes durch die Bundesstraße 27 überwunden. Entstanden ist ein Bürgerpark. Dieser nimmt neue barrierefreie Wegeverbindungen in alle Richtungen auf und erlaubt den Aufenthalt im Freien, wo früher 30 Tsd. Kfz fuhren. Der Park bietet vielfältige Nutzungsangebote für alle Bürger jeden Alters.
Ziel der Wettbewerbsauslobung war es, die notwendigen Wegeverbindungen zu realisieren, einen Mehrzweck- und Spielplatz zu integrieren und vielfältige Freiflächen zu schaffen, die sich flexibel nutzen lassen. Es gab besondere Rahmenbedingungen zu beachten:
- eine maximal mögliche Aufbauhöhe von 1,50 m,
- bereits hergestellte Straßen- und Weganschlüsse mit Brücken,
- Leitungen, die den Tunnel queren und frostsicher überbaut werden mussten
Folgende Ideen haben zum Wettbewerbsgewinn 2013 geführt:
- Schaffung eines barrierefreien Freiraumgefüges, dessen Strukturen aus der landschaftlichen Umgebung des Albvorlandes abgeleitet sind: Baumreihen / Hecken- und Gebüschriegel / freie Felder
- der Mehrzweckplatzes mit Pergola an zentraler Stelle
- Städtebaulich sinnvolle Führung von Straßen und Gehwegen
- Stärkung fußläufiger, dörflicher Ost-West-Verbindung
Landmarke im Norden mit Aussicht auf das Freie Feld
Im Norden über dem Tunnelportal markiert ein unterleuchteter Kirschenhain den höchsten Punkt im Park. Die erhöhte Lage und die nächtliche Beleuchtung machen diesen Bereich als Landmarke sichtbar. Auch Autofahrer nehmen diese aus Richtung Tübingen bei Nacht wahr. Hier beginnt der Park mit einem kleinen Platz an einer wichtigen, neuen, barrierefreien Wegeverbindung von Ost nach West. Sitzklötze aus Vollholz laden an diesem Platz zum Verweilen ein und bieten einen freien Blick in den Park Richtung Süden und Richtung Albtrauf. Die Überdeckung von Leitungszonen nördlich der Wilhelm-Herter-Straße wurde zu einem Aha entwickelt. Die Erhöhung des Geländes und die Errichtung einer Stützmauer lassen vorbeifahrende Autos optisch verschwinden. Damit ist der Park aus Richtung Norden als durchgängiger Freiraum wahrnehmbar, die trennende Wilhelm-Herter-Straße wird durch die Höhenmodellierung ausgeblendet.
Mehrzweckplatz mit Pergolendach und Raummodul
Der Mehrzweckplatz mit ca. 800 m² Fläche entwickelt sich im Südwesten der zentralen Wege- und Straßenkreuzung in Dußlingen. Großzügige Betonplatten heben die Wertigkeit dieses Ortes hervor. Das freie Feld südlich des Platzes erlaubt die Stellung eines Bierzeltes.
Das leichte Pergolendach mit ca. 150 m² bietet Wetterschutz für Parkbesucher und prägt an städtebaulich wichtiger Stelle die Ecke des Mehrzweckplatzes. Die Lage im Platzraum wurde so gewählt, dass einerseits kurze Wege über den Platz möglich sind und andererseits richtige Platzproportionen entstehen. Gleichzeitig entzerrt die Stellung das Geschehen auf dem Platz von der zentralen Wegeverbindung mit Fußgängerverkehr im Osten. Der Platzraum entwickelt sich Richtung Westen und wird durch das Betriebsgebäude des Tunnelbauwerks begrenzt. Die Höhe der Pergola mit ca. 4,5 m verdeutlicht ihre Stellung im Stadtgefüge, die Unterleuchtung inszeniert das Gebäude in den Nachtstunden. Das Dach besteht aus gedämmten Sandwichelementen aus Holzverbundplatten mit Folien bzw. Titanzinkdeckung und innenliegender Entwässerung. Der durchlaufende Deckenhorizont wird über eingespannte Stahlrohrsäulen getragen. Die gesamte Konstruktion steht entkoppelt auf der Tunneldecke und ist über Flachfundamente statisch verankert. Lediglich 70 cm Aufbauhöhe waren für den gesamten Platzaufbau an dieser Stelle zur Verfügung.
Unter die Überdachung wurde ein Raummodul, "Basecamp" genannt, geschoben. Dieses Raummodul in Fertigbauweise beherbergt eine Basisausstattung zur flexiblen Bespielung des Platzes bei Festen und Veranstaltungen. Ein kleiner Schankraum erlaubt die Lagerung und den Verkauf von Getränken oder die Erwärmung von einfachen Speisen. Auch ein Duzend Biertischgarnituren findet Platz. Eine Einrichtung zum Spülen ist gegeben, hygienische Mindestanforderungen sind eingehalten. Die Unisex-Toilette mit Wickelangebot dient im Sommer den Parkbesuchern und vor allem den Familien beim großen Kinderspielplatz. Für kleine Veranstaltungen leistet sie eine Grundversorgung und erlaubt auch die kurzfristige Nutzung des Platzes durch Vereine für eine schnell organisierte "Hocketse". Mit wenigen Handgriffen werden die Türen geöffnet, die Fenster aufgeklappt und das "Basecamp" orientiert sich zur Platzmitte und erlaubt die Versorgung von Gästen und Besuchern.
Kinderspielplatz und Boulefeld
Der Kinderspielplatz ist die zentrale Einrichtung im Bürgerpark für Kinder. Zwei lange Spieltunnels aus natürlich gewachsenen Robinienhölzern laden zum Klettern ein und bieten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden nicht nur den Kindern der Gemeinde Dußlingen ein Highlight. Eine kleine Sandspielecke erlaubt auch die Nutzung für Kleinkinder. Natursteinblöcke aus Juramarmor mit gesägter Oberfläche laden hier zum Sitzen ein und grenzen den Spielplatz zum Weg hin locker ab. Auf Wunsch der Bürger ist an passender Stelle ein Boulefeld eingerichtet worden an dessen Kopfseite gesägte Natursteinquader zum Sitzen einladen oder als Ablage für Utensilien dienen.
Endpunkt im Süden
Hier endet der "Streifzug", der Freiraum läuft über dem Südportal des Tunnels aus und gibt den Blick auf den markanten Albtrauf frei. Auf der Ostseite dienen Sitzstufen aus Juramarmor einem Biergarten als erweiterte Freifläche und überwinden die Höhenentwicklung des auftauchenden südlichen Tunnelmundes.
Zentrale Wegeverbindung
Der von der Straßenbauverwaltung geplante Gehweg mit 1,50 m Breite entlang der Westseite an der Blumenstraße wurde von der Fahrbahn abgerückt und in den Freiraum des Bürgerparks integriert. Der barrierefreie, geradlinige Weg erschließt die Einzelbereiche und stärkt den optischen Bezug der Parkabschnitte. Mit einer Breite von 3,4 m wurde er viel großzügiger als der ursprünglich geplante Gehweg bemessen. Er nimmt den Fuß- und Radverkehr auf und wird zur wichtigen Nord-Süd-Verbindung. Die Anwohner und Nutzer des gegenüberliegenden Gehwegs werden an breiten Zugängen selbstverständlich in die Parkanlage hineingeführt.
Vegetation
Die Grundstruktur für die Bepflanzung der Parkanlage wird aus der heimischen, typischen Kulturvegetation entwickelt. Die Ziersorten aus Obstgehölzen nehmen die typische "Streifenstruktur" der Streuobstwiesen auf. Innerhalb des freien Feldes entstehen im jahreszeitlichen Wechsel flächige Farbstreifen durch Frühlingsblüher (Krokusse/Narzissen) und Herbstblüher (Herbstzeitlose). Diese liegen in großen Wiesenflächen, die mit einer Blumenrasenmischung mit erhöhtem Anteil von Wiesenmargeriten im Saatgut entwickelt wurden. Hierdurch entsteht im Spätfrühling ein besonders kraftvoller Blumenwieseneindruck.
Der lockere ca. 2-5 m hohe Heckenriegel im Osten des Parks schottet den Freiraum zu den Privatgrundstücken hin ab. Vorgelagert schlängelt sich ein schmaler Pfad entlang und erlaubt eine fußläufige Verbindung auf der Westseite.
Durch das Abrücken des zentralen Weges von der Blumenstraße entsteht Raum für eine straßenbegleitende Begrünung aus Stadtbirnen im lockeren Wechsel mit geschnittenen Ligusterhecken. Hierdurch erfährt das Freie Feld eine behutsame Abgrenzung, bleibt jedoch für alle Verkehrsteilnehmer erlebbar. Gegenüber dem Park begleiten Stadtbirnen mit auffälliger Blüte und kräftiger roter Herbstfärbung den Straßenraum der Blumenstraße. Die begleitende Bepflanzung stärkt die Längsseiten des Bürgerparks und bildet den Rahmen für die innenliegenden großen Wiesenflächen.
Möblierung, Beleuchtung, Beläge
Drehbare Holzsitze in lockerer Gruppenstellung laden unter dem Pergolendach zum Verweilen ein. Ergänzt werden diese, durch den Hauptweg begleitende Lehnenbänke. Der Mehrzweckplatz und der Hauptweg in Nord-Süd-Richtung werden mit zylindrischen Mastleuchten beleuchtet. Die Landmarke und das Pergolendach inszenieren Bodenstrahler bei Nacht. Die Beläge sind in Farbtönen des Landschaftsraumes als beigenuanciertes Betonpflaster ausgebildet. Auf dem Mehrzweckplatz wurden zur Betonung des freiräumlich-städtebaulichen Schwerpunktes langformatige Pflasterplatten gleicher Tönung verlegt.
Fazit
Mit dem ca. 1,25 ha großen Bürgerpark ist es in Dußlingen gelungen, den Jahrzehnte durch eine Bundesstraße geteilten Ort zusammenzuführen. Durch geschicktes Verhandeln und weitsichtiges Agieren der Kommune konnte auf dem Deckel des Bundesstraßentunnels auf Kosten der Gemeinde unter Zustimmung der Straßenbauverwaltung eine Parkfläche entstehen. Sie nimmt wichtige barrierefreie Wegeverbindungen in alle Richtungen auf, bietet einen Mehrzweckplatz mit Versorgungs- und Toilettenrichtung und bietet Kindern einen großen Spielplatz. Gleichzeitig sind große Wiesenflächen als lange landschaftstypische Felder entstanden, die auch für die Zukunft noch Spielräume für eine weitere Entwicklung an zentraler Stelle im Ort zulassen.