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Am 12. März 2024 wurde in Brüssel die Novelle der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) verabschiedet, die zukünftig neue Regelungen für die Energieeffizienz für Gebäude bringen wird – und in Stuttgart trafen sich rund 150 Teilnehmende beim 11. Bausachverständigentag im Hospitalhof, um sich über bereits jetzt aktuelle technische Regelwerke und neue Planungsgrundlagen zu informieren.
Das Themenspektrum reichte dabei von der richtigen Ausführung von Wärmedämmverbundsystemen und dabei zulässigen Abweichungen von den bauaufsichtlichen Zulassungen über die Rutschhemmung von Bodenbelägen oder neue Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs bis zur Sicht des Sachverständigen auf die Digitalisierung der Justiz und den Schutz vor Cybercrime.
Ein zentraler Beitrag war außerdem der Vortrag von Michael Halstenberg, Rechtsanwalt und Ministerialdirektor a.D., mit dem Titel „Grundlagen der technischen Beurteilung vertraglich vereinbarter Bauleistungen durch Sachverständige“. Dabei ging es um den Stellenwert von Technischen Regelwerken im rechtlichen Kontext, eingebunden in das komplexe System materieller öffentlich-rechtlicher Anforderungen und privatrechtlicher Anforderungen wie Gebrauchstauglichkeit, Ausstattung und Komfort.
Einerseits können technische Regelwerke zur Auslegung und Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen dienen, da diese sinnvollerweise nur das Schutzziel vorgeben, ohne eine konkrete Detaillösung festzuschreiben. Das Bauordnungsrecht bedient sich dieser Möglichkeit in Form der gesetzlich verankerten „Verwaltungsvorschrift Technisch Baubestimmungen“ (§ 73a Landesbauordnung Baden-Württemberg), über die technische Regeln und deren Fundstelle als sogenannte eingeführte Technische Baubestimmungen in Bezug genommen werden. Diese sind zu beachten. Allerdings gilt auch: „Von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden und in der Technischen Baubestimmung eine Abweichung nicht ausgeschlossen ist“. Die Abweichung von einer Technischen Baubestimmung begründet also nur dann einen Mangel, wenn gemäß rechtlicher Festlegung davon nicht abgewichen werden durfte (was nur selten der Fall ist) oder die gewählte andere technische Lösung das gesetzliche Schutzziel, nämlich insbesondere Sicherheit und Gesundheitsschutz, nicht in gleicher Weise erreicht.
Öffentlich-rechtliche Vorschriften dienen insbesondere der Sicherheit und sollen unter sachlichen Vertretbarkeits- und Zumutbarkeitskriterien eine hinreichende Gefahrenminimierung sicherstellen. Absolute Sicherheit gibt es jedoch nicht. Daher ist – als gesellschaftliche Aufgabe – abzuwägen und festzulegen, was tatsächlich das erforderliche und angemessene Maß ist, und dies abzugrenzen gegenüber Komfort- und Ausstattungsansprüchen. Letztere sind gegebenenfalls als privatrechtliche Anforderungen zu regeln oder auch immanent geschuldet.
Architektenverträge als Werkvertrag wie auch grundsätzlich Bauverträge sind dabei immer „unvollkommen“, da für das zu erstellende Werk als zukünftige Leistung nie alle Festlegungen im Detail vorab vertraglich vereinbart werden können. Daher sind Verträge auszulegen bzw. enthalten als „stillschweigende Vereinbarung“, dass die üblichen Qualitäts- und Komfortstandards verlangt werden können. Der Auftraggeber darf somit erwarten, dass das juristische Konstrukt der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (a.a.R.d.T.) als üblicher technischer Standard eingehalten wird. Dieser Grundsatz dient im deutschen Rechtsystem dazu, das Schadensrisiko für den Besteller bzw. Bauherrn zu minimieren sowie Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit über den – vergleichsweise kurzen – Gewährleistungszeitraum des Unternehmers hinaus sicherzustellen.
Sind nun DIN-Normen und andere Technische Regelwerke im juristischen Sinne „allgemein anerkannte Regeln der Technik“? Das kann im Einzelfall bzw. in bestimmten Bereichen der Fall sein, wenn per gesetzlicher Definition eine (widerlegbare) Vermutung erfolgt, wie dies beispielsweise beim „Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung“ für die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. bzw. die technischen Regeln des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. der Fall ist (§ 49 EnWG). Für den Baubereich besteht jedoch Anlass, die bisherige Annahme zu revidieren, dass dies für die in Normenausschüssen erarbeiteten technischen Regelwerke ebenso gilt. Gemäß Grundregel des DIN dokumentieren die dort erarbeiteten Normen den Stand der Technik, der sich erst in der Praxis bewähren soll. Dies führt zur Vermutung, dass sie gerade keine allgemein anerkannten Regeln der Technik sind. Der Baugerichtstag 2023 hatte sich entsprechend mit diesem Thema beschäftigt und seine Empfehlungen dazu verabschiedet.
Aufgabe des Sachverständigen im Streit um die Einhaltung eines technischen Regelwerks kann und sollte daher sein, festzustellen, ob
und somit als allgemein anerkannte Regel der Technik anzusehen ist. Umgekehrt sollte aber auch geprüft werden, ob die gewählte abweichende Lösung nicht in gleicher Weise geeignet ist, das erforderliche Schutzniveau zu gewährleisten und das Schadensrisiko angemessen niedrig zu halten.
Angesichts der derzeitige Kostenkrise im Bauwesen und für einen kostengünstigen Wohnungsbau ist ein kritischer Blick auf die technischen Regelwerke erforderlich. Um zivilrechtliche Haftung auszuschließen, wurde und wird vorsorglich einfach „nach Norm“ gebaut. Dies verursacht aber erhebliche Kosten, weil dadurch technische Regelwerke angewendet werden, die im Einzelfall nicht gebraucht werden. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass damit Ausstattungsstandards den Weg in die Baupraxis finden, ohne dass dies gesetzgeberisch beabsichtigt war. Auf diese Weise etablieren sich kostenträchtige Baustandards eher zufällig.
Fotos: Jan Potente / AKBW
... bei rechtlichen Planungsgrundlagen und technischen Regelwerken: Jährliche Zusammenstellung bei den Stuttgarter Bausachverständigentagen
Zu den Aufgabenfeldern des Sachverständigen für Schäden an Gebäuden gehören Beratungen über Bauleistungen, Beweissicherungen von Schäden an bestehenden Gebäuden und Gutachtenerstellungen über Schäden und Mängel an Gebäuden. Jetzt vormerken.