BGH klärt final strittige Frage zu HOAI-Altverträgen
Hamm oder Celle – keine juristische Frage wurde im Architektenrecht in den letzten Jahren ausführlicher und kontroverser diskutiert als diejenige, ob Aufstockungsklagen zum HOAI-Mindestsatz trotz der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Juli 2019 (C-377/17) und der dort festgestellten Europarechtswidrigkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze weiterhin Erfolg haben oder nicht. Die Obergerichte entschieden unterschiedlich: Das Oberlandesgericht (OLG) Celle vertrat die Auffassung in einer Vielzahl von Entscheidungen, dass eine Aufstockung zum Mindestsatz nicht mehr zulässig wäre aufgrund der Entscheidung des EuGH. Wurde also ein Vertragshonorar unterhalb des Mindestsatzes vereinbart, galt allein dieses. Eine andere Auffassung vertrat u.a. das OLG Hamm: Solange die (damalige) HOAI 2013 Gültigkeit habe, fänden deren Ausführungen auch Anwendung. Nach der Alt-HOAI waren die Mindestsätze verbindliches Preisrecht, die Aufstockung hatte mithin Erfolg.
Die Frage ging zum Bundesgerichtshof (BGH), von dort zum EuGH und dann zurück zum BGH, der nun am 2. Juni 2022 entschied: Mindestsätze der HOAI 2013 sind nach seiner aktuellen Entscheidung (BGH, Urt. v. 02.06.2022 – VII ZR 174/19) weiterhin anwendbar, trotz der festgestellten Europarechtswidrigkeit durch den EuGH.
In der Pressemitteilung des BGH heißt es u.a. dazu:
„Wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH vom 14. Mai 2020 ausgeführt hat, sind nach nationalem Recht die Vorschriften der HOAI, die das verbindliche Preisrecht (hier: die Mindestsätze) regeln, unbeschadet des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juli 2019 (C-377/17 - Kommission/Deutschland) anzuwenden und führen zu einem Honoraranspruch des Klägers in der vom Oberlandesgericht zuerkannten Höhe.“
Weiter heißt es dort:
„Eine Partei kann sich vielmehr grundsätzlich auf eine nationale Rechtsvorschrift berufen, solange diese weiterhin gültig und im Verhältnis der Parteien anwendbar ist. Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung ist nur dann einschlägig, wenn die Anwendung einer Rechtsvorschrift einen im Einzelfall bestehenden Interessenkonflikt ausnahmsweise nicht hinreichend zu erfassen vermag und für einen Beteiligten ein unzumutbares unbilliges Ergebnis zur Folge hätte. Es dient jedoch nicht dazu, eine vom nationalen Gesetzgeber mit einer Rechtsvorschrift getroffene Wertung generell durch eine andere Regelung zu ersetzen.“
Die vollständige Pressemitteilung des BGH erhalten Sie hier
Die Entscheidungsbegründung liegt noch nicht vor. Mit der neuen unverbindlichen HOAI 2021 hat sich die Fragestellung freilich für neue Verträge erledigt.