Unter der provokanten Überschrift „J. w. d. ?“ führte der kritische Stadtspaziergang am 19. Mai 2015 an den nördlichen Rand des Stadtgebietes.
Dort ist das Neckartal noch als grüner Landschaftsraum zu erleben. Die Schwerpunkte der neueren Stadtentwicklung lagen seit Langem auf den umliegenden Hochflächen, wo die Stadtteile Mönchfeld, Freiberg und Neugereut entstanden. Die historischen Siedlungskörper haben dagegen viel von ihrem dörflichen Charakter bewahrt.
Beim Spaziergang, an dem auch viele ortsansässige Bürger und Kollegen teilnahmen, zeigten sich schnell Reiz und Selbstbewusstsein dieser uralten Ortschaften: Mühlhausen, mit seiner reichen Geschichte, die ins frühen 8. Jahrhundert zurückreicht, und Hausen, das von jeher als katholische Enklave eine besondere Rolle spielt mit der bis heute gepflegten Wallfahrt zur „Stuttgarter Madonna“ und einer äußerst lebhaften Fasnet.
Die fünf verschiedenen Siedlungskörper, die heute gemeinsam den Stadtbezirk Mühlhausen bilden, sind mit ihren jeweils ca. 3.000 – 4.500 Einwohnern allerdings zu klein, um jeder für sich die alle notwendigen Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen zu tragen. Entsprechend wichtig ist die Vernetzung der Teilgebiete untereinander. Die natürliche Mitte bildet dabei der Flussraum des Neckars mit seinen Ufern.
Bei unserem Spaziergang auf beiden Flussufern sahen wir, was dort im Argen liegt: Die Flussufer sind größtenteils zugewachsen und verkrautet. Große Versorgungseinrichtungen und Gastronomiebetriebe liegen war an zentraler Stelle direkt am Fluss. Sie orientieren sich aber ausschließlich zur stark befahrenen Neckartalstraße, von der die Kunden nur per PKW bequem ankommen.
Wir entdeckten aber auch Ansätze für neue Entwicklungen: Ein zentrales Element ist der elegante Vier-Burgen-Steg (Wulf + Partner / Mayer, Ludescher, Partner), der seit 2008 den Neckar überspannt. Seit kurzem gibt es dazu eine reizvolle neue Wegeverbindung durch die Obstbaumwiesen von Neugereut nach Hofen und durch den Burggraben direkt zum Flussufer. In Mühlhausen soll vor der Turn- und Festhalle ein qualitätvoller öffentlicher Raum hergestellt werden, der sowohl ins Feuerbachtal hinein als auch zum Neckar-Steg weitergedacht werden kann und muss. Die Erneuerung der Grundschule Mühlhausen (2011, Schürmann + Schürmann) oder die Pläne zum Ausbau des Kelterplatzes in Hofen sind weitere Bausteine, die dazu beitragen können, die Lebendigkeit des Stadtteils zu erhalten und zu stärken.
Besonders erfreulich war auch bei diesem Spaziergang wieder die rege Teilnahme von Vertretern der Stadt: Trotz bevorstehender Sitzung ließ es sich der neu bestallte Bezirksvorsteher, Ralf Bohlmann nicht nehmen, den größten Teil unseres Weges mitzugehen und uns mit großem Engagement von seinen ersten Eindrücken und Erfahrungen zu berichten. Das Stadtplanungsamt war mit Klaus Volkmer, Hermann Degen und Anderen vertreten. In den lebhaften Gesprächen während des ganzen Spaziergangs wurde deutlich, wie wichtig es ist, die Entwicklung des Stadtteils und seiner Flussufer im Zusammenhang zu sehen. Wir sollten nicht davor zurückschrecken, hochgesteckte Ziele und Vorstellungen zu formulieren, um sie dann behutsam aber beharrlich zu verfolgen!