Bildungshaus am Lindenbrunnen
Uhlandstraße 38
72072 Tübingen
(se)arch Freie Architekten BDA, Prof. Stefanie Eberding, Stephan Eberding, Stuttgart; Projektleitung: Boris Berger | Bauleitung: dk architekten, Stuttgart | Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Universitätsstadt Tübingen, vertreten durch Oberbürgermeister Boris Palmer, vertreten durch FB Hochbau und Gebäudemanagement
2016
Das interkulturelle Bildungszentrum befindet sich in städtebaulich reizvoller Lage unweit der historischen Innenstadt von Tübingen. Prägend für die besondere Situation des Grundstücks sind die direkte Nähe zum Neckarufer sowie der Blick auf das Tübinger Schloss.
Inspiriert von der Pavillonstruktur der umgebenden Bestandsbauten entstand ein Ensemble aus zwei unterschiedlich großen Baukörpern: der zweigeschossigen Grundschule und dem kleineren, eingeschossigen Kinderhaus. Beide Häuser wurden auf einem quadratischen Grundriss mit einem Pyramidendach entworfen und stehen über einen gemeinsamen, überdeckten Eingangsbereich miteinander in Verbindung.
Die beiden pavillonartigen Solitäre schaffen durch ihre offene Anordnung eine hohe Durchlässigkeit im Außenraum. Es entsteht eine durchgrünte "Schullandschaft", bei der wichtige Wege- und Blickbeziehungen bestmöglich erhalten bleiben. Durch die Lage und Topografie des Grundstücks können die markanten Dachflächen als fünfte Fassade erlebt werden. Zudem vermeidet die bewusst gewählte, ungerichtete Form des Quadrats, dass sich Gebäuderückseiten herausbilden. Das Aufteilen der gesamten Kubatur auf zwei kleinere Gebäude bewirkt eine kindgerechte Maßstäblichkeit, die die gewünschte klare Orientierung unterstützt.
Über den gemeinsamen, witterungsgeschützten Zugang gelangen die Kinder in die Schule und das Kinderhaus. Zusammen mit den schaltbaren Multifunktionsbereichen, der Cafeteria und den Sitzstufen bietet ihnen schon das Ankommen Raum für Kommunikation und Begegnung. Im Erdgeschoss des Kinderhauses orientieren sich ein Mehrzweckraum und die Verwaltung zum Eingang, die Gruppenräume öffnen sich zum östlich gelegenen Freibereich. Die Grundschule empfängt die Schüler im Erdgeschoss mit den öffentlicheren Nutzungen wie Cafeteria, Gemeinschaftsbereich und Bibliothek.
Charakteristisch für die Atmosphäre in den Innenräumen beider Baukörper ist die große, quadratische Öffnung in den Dachflächen, die als große Lichtdusche für viel natürliches Tageslicht sorgt und die Gebäude spürbar auf deren Mitte zentriert. Um diese offene, von zenitalem Licht erfüllte Lernlandschaft mit der Sitzstufentreppe arrondieren sich im Obergeschoss der Schule die Klassen- und Kursräume, die auf vielfältige Weise genutzt werden können.
Beide Häuser besitzen eine Fassade aus Zedernholz-Schindeln, die durch ihre Kleinteiligkeit und warme Materialsprache die Maßstäblichkeit und Haptik des Ensembles stärken. Sowohl das Kinderhaus als auch die Schule sind in Holzbauweise errichtet, lediglich für die Boden- und Geschossdecken wurde Stahlbeton verwendet. Sämtliche Materialien wurden hinsichtlich ihrer Schadstoffe und dem erforderlichen Primärenergiebedarf geprüft und sorgfältig ausgewählt.
Trotz des hohen energetischen Anspruchs eines Passivhauses, der bereits im Wettbewerb formuliert wurde, erscheint die Technik als unprätentiöser und integrativer Teil des Hauses: Die beiden Solitäre bieten ruhige, auf sich konzentrierte Räume, die den Kindern ein hohes Maß an Identifikation vermitteln.
Tragwerk
Die Tragwerke der beiden Häuser wurden im Gedanken an zwei ähnliche Konstruktionen für zwei ähnliche Häuser entwickelt. Voraussetzung dabei war das ungestörte Raumerlebnis der großen Zeltdächer auch von innen - ohne störende Konstruktionen oder Installationen. Und natürlich ein Materialkonzept, das konsequent ist und Wirtschaftlichkeit verspricht.
So wurde der ursprüngliche Ansatz zu einem vollständigen Holzbau in der Vorplanung insofern modifiziert, als dass im Falle der zweigeschossigen Schule für das Erdgeschoss förmlich ein Stahlbetontisch in den Holzbau eingestellt wurde. Auf diese Weise konnten die großen Deckenspannweiten mit minimaler Konstruktionshöhe und niedrigen Kosten realisiert werden, ohne den gewünschten Holzbau generell in Frage zu stellen. Vielmehr ergab sich hieraus die konsequente Weiterentwicklung der Treppenhäuser zu sehr schönen Sichtbetonkonstruktionen und somit die Antwort auf Fragen zum Brandwiderstand und zur vertikalen Gebäudeaussteifung.
Die beiden Dachkonstruktionen sind im Grundtypus dem Ursprungsgedanken entsprechend gleich: eine auf der Innenseite geringere Dachneigung verschafft statische Höhe und Raum für die notwendigen Lüftungsinstallationen. Für die Schule wurde über dem zentralen und stützenfreien Raum ein Trägerrost aus Fachwerkträgern entwickelt, der Basis für das ansonsten weitestgehend konventionelle Pfettendach ist. Die Dachkonstruktion für den Kindergarten konnte für die geringeren Spannweiten im gleichen Modus abgeleitet werden, was Beleg für den richtigen Ansatz in der Grundkonzeption war.
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Energie
Behaglich und klimafreundlich im Bildungshaus am Lindenbrunnen lernen
Ziel war es, das Bildungshaus am Lindenbrunnen in Tübingen mit Kindertagesstätte und Grundschule im Passivhausstandard zu errichten. Für ein behagliches Raumklima und gute Luftqualität sorgen sowohl ein durchdachtes Lüftungskonzept mit Wärmerückgewinnung als auch eine intelligente Tageslichtnutzung. Außer einem hohen Aufenthaltskomfort für Kinder und Erzieher senkt dies auch die Kosten für die Energieversorgung. Basis für das zukunftsorientierte Energiekonzept war unter anderem die verfügbare Fernwärme mit niedrigem Primärenergiefaktor.
Nachhaltigkeit
Für das Projekt Bildungshaus am Lindenbrunnen wurde seitens der Universitätsstadt Tübingen hohe Standards gesetzt. Schon in der Wettbewerbsphase wurde eine Ausschreibung mit detaillierten Informationen zum Thema Nachhaltigkeit formuliert, die in ihrer Weiterentwicklung heute in Form der Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben (SNAP) als allgemeiner Bestandteil nachhaltiger Ausschreibungen des Bundes festgelegt ist. Dabei wurden für das Projekt in der Planung besonders die energetischen und materialbezogenen Themen der Nachhaltigkeit vertieft. Als Zielstellung im Bereich Energie wurde von Beginn des Projektes dazu das Ziel Passivhaus verfolgt.
Im Bereich der Baustoffe war das Ziel hingegen nicht so scharf formuliert. Denn das Thema der "nachhaltige Baustoffe" wird zudem mit sehr unterschiedlichen Aspekten verknüpft. Regionale Produkte, Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, Materialien mit geringem Primärenergieinhalt, besonders langlebige Produkte oder auch besonders gut recycelbare Werkstoffe werden als nachhaltig beworben. Im Rahmen des Projektes wurde zunächst mit der Stadt Tübingen ein Zielkatalog zum schadstoffarmen Bauen für das Projekt abgestimmt. Gleichzeitig wurden genauer zu untersuchende Bauteile definiert, an denen sowohl die globalen Umweltwirkungen als auch die schadstoffarme Bauweise genauer untersucht werden sollte – Schwerpunkte waren dabei das Dach, die Bodenbeläge, die Außenwände und die Innendecken. Im Planungsprozess wurden dabei jeweils Alternativen untersucht und diese konstruktiv, energetisch und ökologisch vergleichend bewertet. Damit entstand eine vertiefte Entscheidungsgrundlage für den Bauherrn.
Weitere Planungsbeteiligte:
Merz Kley Partner, Dornbirn (Tragwerk)
ee-concept, Darmstadt (Energiekonzeption, Nachhaltigkeitsuntersuchung)
eBök, Tübingen (Bauphysik, Energiesimulation)
Henne + Walter, Reutlingen (HLS)
Mück & Schaber GmbH, Holzgerlingen (Elektrotechnik)
Brandschutzconcult, Ettenheim (Brandschutzkonzeption)
Großküchentechnik Geisel GmbH, Reutlingen (Schulküche)
Ingenieurbüro für Baukoordination, München (SiGeKo)
Geowissenschaften, Tübingen (Geologie)