Neubau und Sanierung Adolf-Reichwein-Bildungshaus
Bugginger Straße 83
79114 Freiburg-Weingarten
Riehle+Assoziierte GmbH+Co.KG, Architekten und Generalplaner, campus GmbH Bauten für Bildung und Sport, Reutlingen | Wolfgang Mittl, Freier Architekt, Breisach am Rhein (LPH 6-8) | Freiraumplanung Sigmund, Landschaftsarchitekten GmbH, Grafenberg
Stadt Freiburg im Breisgau, Dezernat V, Stadtentwicklung und Bauen, Tiefbau mit Verkehrsplanung, Stadtgrün, Gebäudemanagement, vertreten durch Bürgermeister Prof. Dr. Martin Haag
2022
Die Adolf-Reichwein-Schule in Freiburg ist eine Grundschule im Stadtteil Weingarten, geprägt von sozialer und kultureller Vielfalt im Alltag: 27 Sprachen finden sich bei den Kindern. Das pädagogische Konzept erforderte die Erweiterung um einen Ganztagesbereich und die Eingliederung eines siebengruppigen Kindergartens. Es entstand das Adolf-Reichwein-Bildungshaus.
Zwei neue doppelgeschossige Baukörper stellen sich vor die dreigeschossigen vorhandenen Klassentrakte und den Flachbau mit Verwaltung und Pausenhalle. Verbunden sind sie durch ein großes Dach, unter dem Kinder, Lehrkräfte und Eltern ankommen und sich verteilen: der linke Arm führt zur Schule, der rechte zum Kindergarten: Ein wettergeschützter Wartebereich als Ort der Begegnung. Dieser Gedanke führte beim Wettbewerb für die Erweiterung 2013 zum ersten Preis.
Der L-förmige Grundriss des neuen Schulkindergartens schafft einen geschützten, gemeinsam genutzten Außenbereich für Schulkindergarten und Kindertagesstätte. Lärm- und Sichtschutz zum Schulbereich sind aufgrund der städtebaulichen Anordnung gegeben. Die Grundrisse sind einfach, leicht erfassbar und erleichtern die Orientierung.
Alle Gruppenräume sind nach Süden oder Osten ausgerichtet und verfügen über einen direkten Zugang zum Spielbereich. Der Bereich zwischen Verschattungsanlage und Außenhaut ermöglicht geschütztes Spielen und bildet eine Übergangszone vom Innen- zum Außenraum. Im Obergeschoss befinden sich Verwaltung, Personalräume, Mehrzweck- und Sachräume sowie die Technikzentrale.
Der Neubau des Ganztagesbereichs der Schule ist um einen zentralen Innenhof organisiert. Mensa, Bewegungs- und Spielraum sind zusammenschaltbar und als eigener getrennter Bereich auch außerhalb der Schulzeit von Stadtteilgruppen nutzbar. Den Kernzeiträumen ist ein Außenbereich direkt zugeordnet.
Beide neuen Gebäude haben einen vorgeschalteten Balkonbereich. Dieser ist Fluchtweg und zugleich hochwertige Außenfläche: In den Obergeschossen der Schule wird dieser auch als Lernfläche im Freien genutzt. Eine weitere Lern- und Aufenthaltszone findet sich zudem vor der Mensa im Erdgeschoss. Im Kindergarten bildet sich durch den Balkon eine geschützte, durch Schattenspiel geprägte, Spielfläche im Erdgeschoss. Die Verschattung erfolgt durch bewegliche Schiebeläden aus Metall-Lamellen, die in ihrer Anordnung unterschiedliche Lichtstimmungen ermöglichen.
Beide Neubauten wurden in Massivholzbauweise erstellt. Holzwände bis zu einer Stärke von 32 cm und Holzdecken mit 30 cm fügen sich an- und übereinander. Schallschutz zwischen Geschossen und Räumen wird durch die Materialstärke sichergestellt. Konstruktionsflächen sind fertige Holzoberflächen. Die Konstruktion ist damit in den Räumen in ihrer haptischen Erscheinung erlebbar, sie ist zu Riechen und zu Berühren und sorgt für ein behagliches Raumklima; das unter lernfördernden Aspekten erstellte Farbspiel kontrastiert dazu in harmonischer Weise. Die Oberflächen wurden gelaugt und geseift, dadurch bleiben sie lange in ihrer ursprünglichen Helligkeit erlebbar. Ergänzende akustisch wirksame Oberflächen wurden durch Holzdecken geschaffen.
Wand- und Deckenelemente kamen vorgefertigt einschließlich aller erforderlichen Aussparungen und Leitungsführungswege auf die Baustelle. Dies erforderte intensive Abstimmung zwischen den Architekten, den Fachplanern und der ausführenden Firma, ohne Nacharbeiten auf der Baustelle!
Die Nutzung von 42.000 m³ Holz als Basisbaustoff verschafft sowohl eine positive CO₂-Bilanz – der Nachwuchs dauert über den deutschen Raum gerechnet 20 Minuten – als auch günstige Werte hinsichtlich der zur Erstellung eingesetzten Primärenergie.
Die Gebäudehülle der Neubauten wurde hochwärmegedämmt ausgeführt. Das Gebäude erhielt den Energie-Standard „Zertifiziertes Passivhaus“. Die Außenhaut – eine Schalung aus lasierter Weißtanne – nimmt den Vergrauungsprozess optisch vorweg und erleichtert ihn damit. Der Wechsel zwischen horizontaler und vertikaler Schalung zeigt den konstruktiven Aufbau der Häuser, verbindet Gebäude und Vordach, gibt ordnende Struktur.
Im Bestand der Schule wurde die Pausenhalle durch einen Neubau ersetzt. Die neue Pausenhalle ist nun Mittelpunkt dieser offenen und kulturell durchmischten Bildungseinrichtung.
Eine Lernlandschaft entstand mit unterschiedlichen Lern- und Begegnungszonen. In der Mitte ein Rundling aus Holz, der auf zwei Ebenen bespielt werden kann: unten geborgene Zonen für Rückzug und Stillarbeit, oben offen und hell für spielerisches gemeinsames Lernen unter Oberlichtern. Um diesen Rundling gruppieren sich weitere Lernzonen mit entsprechender Möblierung entlang der Laufwege, die der Verbindung der unterschiedlichen Schulgebäude dienen. Möblierungskonzepte unterstützen in Schule und Kindergarten den fortschrittlichen pädagogischen Ansatz der Schule durch unterschiedliche Lernorte am Boden, am Tisch, im Sitzen, im Stehen, im Liegen.
Die beiden bestehenden, dreigeschossigen Gebäude mit Klassenzimmern wurden als zweiter Bauabschnitt generalsaniert. Sämtliche Oberflächen wurden nach Einbau einer neuen Haustechnik erneuert. Die Räume erhielten dezentrale Lüftungsanlagen. Der Brandschutz wurde durch Bildung neuer Brandabschnitte auf aktuellen Stand gebracht. Das äußere Erscheinungsbild wurde den Vorgaben des neuen Bestandes angeglichen. Das Adolf-Reichwein-Bildungshaus ist sowohl behindertengerechte Schule wie auch behindertengerechter Kindergarten: Aufzüge machen die Gebäude barrierefrei.
Das Bildungshaus liegt in einem Wohngebiet mit kleinen Straßen und hatte für die Baustelleneinrichtung lediglich das eigene Gelände zur Verfügung. Anlieferungen wie beispielsweise die oft großformatigen Massivholzelemente waren verkehrsrechtlich zu planen und anzumelden.
Für die Umbau- und Generalsanierungsmaßnahmen war eine Auslagerung in die im ersten Bauabschnitt fertiggestellten neuen Gebäude und zusätzlich in eine Containeranlage erforderlich. Die Bauzeit konnte hierdurch und aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades der Neubauten zum Wohle der Nutzer und der Anwohner deutlich verkürzt werden.
Alles in allem ein Stück miteinander gelebte und im wahrsten Sinne begreifbare Architektur im vielfältigen Stadtteil Weingarten, ein Ort der Begegnung.
Weitere Beteiligte
Tragwerksplanung: Faltlhauser Krapf Beratende Ingenieurgesellschaft mb, Reutlingen
HLS-Planung: VERTEC GmbH Ingenieurbüro für Versorgungstechn, Ettenhei | Andrè E. Schwarz Energie und Wärmetechnik, Villingen-Schwenningen
Elektroplanung: plus-energie GmbH Ingenieurgesellschaft für Gebäudetechnik und Energie Peterzel, Villingen-Schwenningen