Im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Juli 2019 über die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI stellen sich einige juristische Folgefragen mit der sich die Fachwelt auch ausgiebig beschäftigt. Eine davon behandelt die Fragestellung, ob die sogenannte Vermutungsregelung in § 7 Abs. 5 HOAI trotz der EuGH-Entscheidung weiterhin Anwendung findet.
„Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, wird unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind,“ heißt es dort. Einer der renommiertesten Architektenrechtler, Prof. Dr. Heiko Fuchs von der Kanzlei Kapellmann, der auch auf dem Deutschen Architektentag einen Vortrag halten wird, hat vor einiger Zeit schon die Auffassung vertreten, dass eine negative EuGH-Entscheidung keinen Einfluss auf die weitere Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 HOAI zunächst hat. Nur der verbindliche Preisrahmen in § 7 Abs. 1 HOAI sei unanwendbar, so Fuchs in einem Kurzbeitrag der Fachzeitschrift IBR. „Die dortigen Formvorgaben (schriftlich bei Auftragserteilung) und die Rechtsfolgen in Abs. 5 (Geltung der Mindestsätze) bleiben unberührt“, erläutert Fuchs.
Philipp Scharfenberg, ein junger Architektenrechtler aus Heidelberg, der sich mit einer viel beachteten Kommentierung im Baurecht einen Namen gemacht hat, vertritt diese Ansicht ebenso. § 7 Abs. 5 HOAI ist nicht von der EuGH-Entscheidung betroffen, so Scharfenberg ebenso in der IBR, da sie keinen Preisrahmen zwingend vorgibt, sondern nur eine Rechtsfolge (Mindestsätze) verbindlich regle, wenn die Parteien schriftlich nichts anderes geregelt hätten.
Durchaus finden sich dazu auch Stimmen, die anderer Ansicht sind. Doch lassen sich die Argumente der Kollegen schon hören: § 7 Abs. 5 HOAI führt ja nicht dazu, dass die Mindestsätze weiterhin Pflicht sind (was der EuGH als europarechtswidrig einstufte). Vielmehr ist dies eine Regelung, die sich ähnlich bereits vom Rechtsgedanken her auch bei den Steuerberatern und deren Vergütungsverordnung befindet. Sie führt zur Honorarsicherheit beider Parteien und ist daher auch zweckmäßig. Es bleibt abzuwarten, wie das erste Gericht entscheiden wird, das diese Frage zu klären hat. Doch die Ausführungen von Fuchs und Scharfenberg, die mittlerweile von zahlreichen anderen Juristen geteilt werden, sind schon sehr beachtlich und überzeugend.