Die 50. LVV mit neuen Formaten und lebhaftem Austausch über das Was und Wie von Positionierung
Foto: Torben Beeg
Baden-Baden, Mitte November. Das Kongresshaus heißt die 135 Delegierten der 50. Landesvertreterversammlung hell beleuchtet willkommen. Der Veranstaltungsort konnte bereits als programmatisches Statement interpretiert werden. Denn die Stadt hatte für das Gebäude aus den 1960er Jahren die Fassadengestaltung in einem nicht offenen Wettbewerb ausgelobt. 2012 bis 2016 setzte der erste Preisträger, Schaltraum Dahle-Dirumdam-Heise Partnerschaft von Architekten mbB, Hamburg, seinen Siegerentwurf um, dem vor allem eines wichtig war: die Originalsubstanz des Bestands wertzuschätzen und mit zeitgemäßer Ästhetik zu verbinden: „Verschiedene Öffnungsgrade und Transparenzen“ bewirken eine „lesbare Gebäudestruktur.“
Warum diese Einführung? Die 50. LVV warf nicht nur einen Blick zurück, indem drei der acht seit dieser Legislaturperiode eingesetzten Kompetenzteams erste Ergebnisse ihrer inhaltlichen Arbeit vorstellten. In Baden-Baden wurde auch nach vorn geschaut Richtung Kommunalwahl 2024. Die Vorteile für Städte und Gemeinden, über Wettbewerbe zu guten Lösungen zu kommen, war einer von vielen Punkten, die die Delegierten als zentrale Kriterien für kommunale Ortsentwicklung identifizierten. Die Arbeit an dem „Positionspapier zur Kommunalwahl 2024“, das am zweiten Tag im gesamten Plenum diskutiert wurde, forderte die Delegierten in bislang ungewohnter, (inter-)aktiver Weise. Die Landesvertreter:innen erarbeiteten in fünf Themenräumen Positionen mit dezidiertem Kommunalbezug, die der AKBW, insbesondere den örtlichen Kammergruppen als Grundlage für eine aktive „Einmischung“ in die Vorwahlphase dienen sollen. Die Gemeinderatswahlen sind traditionell eine hervorragende Gelegenheit, baukulturelle und (stadt-)planerische Überzeugungen publik und den Berufsstand in einer Gemeinde sichtbar zu machen.
„In den Kommunen werden Krisen und Transformationsdruck konkret: Wohnraummangel, Kostensteigerung, Zuzug, Demografie, Klimawandel oder neue Arbeitswelten“, so Kammerpräsident Markus Müller. „Gute Planung mindert Transformationsdruck“ war die Medieninfo zum Eckpunktepapier überschrieben. Es war der Extrakt der von Markus Müller formulierten Hauptbotschaft dieser 50. LVV: „Strategische Planung ist der Schlüssel zur Bewältigung vieler dieser Herausforderungen. Die Experten dafür sind wir! Das sollten die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Kandidatinnen und Kandidaten für kommunale Mandate wissen!“ Eingeläutet hatte er die Tagung mit einem vergleichsweise düsteren gesellschaftspolitischen Szenario, um das Umfeld zu umreißen, in dem sich dieArchitektenkammer wirtschaftlich und berufspolitisch bewegt.
Die AKBW tue sich traditionell schwer „loszupoltern“, so Müller. Sie trete mit ihren Forderungen stets sachlich auf und habe angesichts der Dimension der Baukrise, die allmählich in den Büros ankomme, ungewöhnliche und bislang unübliche Allianzen geschmiedet. Doch obwohl die Kammerexpertise auf breitem Erfahrungswissen und gebündeltem Knowhow basiert und geschätzt wird, fehle meist der Wille zur Umsetzung. Mal werde auf fehlendes Geld verwiesen, ein andermal auf Zuständigkeit, ein drittes Mal auf den Koalitionspartner. Deshalb die Bitte an die Kolleginnen und Kollegen um ihre „Einschätzung, wie wir uns positionieren sollen: laut oder leise?“ Hörbarer ja, aber ohne fachliche Tiefe einzubüßen, lautete der Tenor zahlreicher Wortmeldungen in der Aussprache über das Positionspapier Kommunalwahl 2024.
Andreas Grube, der Vorsitzende des gastgebenden Kammerbezirks Karlsruhe, legte in seiner Begrüßungsrede kämpferisch die Verantwortung für die freiheitlich pluralistische Gesellschaft in die Waagschale. „Wir müssen uns einmischen, mehr Gehör verschaffen und die klare Botschaft platzieren: Unser Berufsstand ist unverzichtbar!“
Die Landesvertreterversammlung in Baden-Baden hatte erstmals eine dezentrale Struktur: Statt durchweg im großen Plenum zu tagen, wurden in Themenräumen Eckpunkte für ein Positionspapier zur Kommunalwahl erarbeitet. „Wie fandet Ihr die LVV ’23?”, wurden die Landesvertreter:innen danach gefragt. Das Ergebnis der Umfrage: 27 Prozent antworteten mit „sehr gut”, 63 Prozent mit „überwiegend gut”. Auf die Frage, ob das neue, diskursive LVV-Format beibehalten werden soll, antworteten 97 Prozent mit „Ja”. Der berufspolitische Referent Dr. Felix Goldberg, der die Themenräume koordinierte: „Das Setting wurde als wertschätzend empfunden, deshalb werden wir dieses auch für die LVV 2024 in Straßburg beibehalten. Die Erfahrungen in Baden-Baden helfen, das neue Format noch besser zu machen.”